Ja, gute Frage: Wann beginnt Armut eigentlich ?
Wenn von „Armut“ die Rede ist, dann ist das für mich durchaus ambivalent:
Armut ist das, was einen trifft, betrifft, etwas Schlimmes, Bedrängendes, Bedrohliches, Existenz-, ja Lebensbedrohliches, wenn ich etwa nicht weiß, wie ich meine Rechnungen bezahlen soll oder wenn mir die Schulden über den Kopf wachsen … besonders schlimm ist es, wenn es auch Kinder betrifft
… wenn Essen (etwas Gutes, Vernünftiges Essen) oder die Heizung nicht mehr zu bezahlen sind …
Das nenne ich die „bittere Armut“ … eine weitere Steigerung wäre dann noch das Elend, das Leben im Elend, wenn etwa Menschen im globalen Süden wegen Dürre oder Missernte oder wegen eines Krieges wirklichen Hunger und wirklichen Durst haben, verhungern, verdursten … Schrecklich … !!!
Die andere Seite ist für mich (das kenne ich auch und das fasziniert mich), wenn sich Menschen etwa in der Nachfolge Christi wie Franziskus für ein einfaches, eben ein armes Leben entscheiden
… In der christlichen Tradition ist da von den drei „evangelischen Räten“: Armut, Keuschheit=Ehelosigkeit und Gehorsam die Rede: evangelische Räte (hat nichts mit der evangelischen Kirche zu tun) im dem Sinn, dass Jesus in den Evangelien dazu geraten/eingeladen/aufgefordert hat, in Seiner Nachfolge so zu leben … daraus hat sich im Laufe der Jahrhunderte der „Ordensstand“ entwickelt: Menschen, die sich zu so einem radikalen Leben der Nachfolge berufen gefühlt haben, haben sich zu Gemeinschaften von Mönchen oder Nonnen zusammengeschlossen, um gemeinsam so zu leben … daneben gab es immer auch das Eremitentum, also das Leben als Einsiedler*in irgendwo in der Abgeschiedenheit der Wüste oder
der Berge …
Wenn ich jetzt in meinem Leben zurückblicke, kann ich mich natürlich fragen: „Wann hat Armut in meinem Leben eigentlich begonnen ?“ und ich komme zu Erfahrungen/Erlebnissen, wo das Geld immer weniger geworden ist, wo mein Konto überzogen war und ich mich nur sehr mühsam, sehr
langsam aus dieser Lage wieder befreien konnte … über viele Jahre … darüber könnte ich jetzt sehr lang und breit berichten und mich dabei als äußerst bedauerns- und bemitleidenswert hinstellen. Doch – um ehrlich zu sein – interessiert mich das gar nicht. Darauf will ich gerne verzichten …
Als viel interessanter erscheint mir persönlich die Frage:
Wann ist – für mich persönlich – die eine Erfahrung von harter, „bitterer“ (schicksalhafter) Armut „gekippt“ in die andere Erfahrung oder eben Berufung zur freiwilligen, selbst gewählten Armut im Sinne der bewussten Nachfolge Christi, im Sinne des „evangelischen Rates“ „Armut“
Wann habe ich es geschafft, zu dieser bewussten Lebensform der „Armut“ um Jesus und der Menschen willen (vor allem der armen und obdachlosen willen) „Ja“ zu sagen in Freiheit und in Liebe, die Sorgen ganz auf Gott zu werfen im Vertrauen, dass Er mich nicht verhungern, dass Er mich nicht umkommen lässt, ja, dass Er mich gerade so zum vollen, reichen Leben führt …
Das war für mich irgendwann zwischen 2003 und 2006, wo ich es ja dann geschafft habe, die Wohnung aufzugeben und fortan ein Leben in Armut/Obdachlosigkeit an der Seite der Armen/Obdachlosen, also als „Armer unter Armen“ zu leben, ganz bewusst und freiwillig.
Und wer so lebt – das kann ich bezeugen – der leidet auch nicht mehr unter der Armut, ganz im Gegenteil: er ist frei … in der Liebe/Barmherzigkeit und für die Liebe/Barmherzigkeit … Die Liebe macht ihn frei … !!! (Ein gewisses Gottvertrauen ist dazu allerdings notwendig, das geb‘ ich zu, ohne das geht’s nicht.)
So eine Armut ist nicht (mehr) schlimm, nein im Gegenteil: äußerst lebenswert: so bin ich glücklich … 🙂
Johannes

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