Renate Anderl, Präsidentin, sowohl der AK-Wien als auch der Bundesarbeiterkammer
(‘16 Renate Anderl | Anmerkungen’ – https://vimeo.com/884296059#t=6092).

Transkript
Es ist die Kammer für Arbeiter und Angestellte. Das heißt, es ist von uns aus, dass jemand auch ein Jahr danach noch sich hinein reklamieren könnte. Du musst vorher 12 Wochen Beschäftigung nachweisen, aber es heißt nicht, wenn jemand ewig arbeitslos ist, dass er bei der Arbeiterkammerwahl wählen kann. Das heißt, da müssen wir einmal drüber diskutieren.

Die Präsidentin weiß es also nicht:

Wählen können Erwerbsarbeitslose immer, solange sie Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehen.

[Arbeiterkammergesetz, AKG §10 (1) Zi.1 – „Arbeitslose im Anschluß an eine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung, wenn sie bisher insgesamt mindestens 20 Wochen kammerzugehörig als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sind, für die Dauer von 52 Wochen oder eines längeren Bezuges einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung.“]

Voraussetzung sind also zumindest 20 Wochen und dann „für die Dauer von 52 Wochen oder eines längeren Bezuges einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung.“

Die Wahlberechtigung richtet sich folglich auch nicht nach dem freien Ermessen der Arbeiterkammer, wie Präsidentin Anderls Formulierung „…es ist von uns aus…“ suggeriert.

Offensichtlich besteht auch der Wunsch bzw. wird ernsthaft überlegt, Menschen, die bereits längere Zeit erwerbsarbeitslos sind, die Wahlberechtigung bei AK-Wahlen zu entziehen: „ … da müssen wir einmal drüber diskutieren.„.
Eine – unerwähnt bleibende – rechtliche Diskriminierung von erwerbsarbeitslosen Menschen liegt beim passiven Wahlrecht vor:

Gewählt werden und Mandatar:innen der AK-Vollversammlung sein können Erwerbsarbeitslose bloß max. 18 Monate während einer Erwerbsarbeitslosigkeits-Episode – im Gegensatz zu in Beschäftigung stehenden Personen.

[AKG §21 Zi2 Wählbar in eine Arbeiterkammer sind alle kammerzugehörigen Arbeitnehmer, die am Stichtag „in den letzten zwei Jahren in Österreich insgesamt mindestens sechs Monate in einem die Kammerzugehörigkeit begründenden Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis standen.“]

Diese basale generelle Diskrepanz zwischen Schein und Wirklichkeit wird auch in Frau Anderls allgemeiner Rede (‘19 Renate Anderl | Bericht der Präsidentin’) zum besten Sozialstaat der Welt sichtbar bzw. taucht dort auf:

Wie schaut der beste Sozialstaat der Welt aus?
Im besten Sozialstaat der Welt können Alle mitbestimmen. Alle können mitbestimmen, die hier mit uns leben und arbeiten, unsere Nachbar*in, unsere Straßenbahnfahrer*in, unsere Supermarkt-Kassier, unsere Kolleginnen und Kollegen.

Sie haben das Recht auf Teilhabe an allen Prozessen, die sie betreffen – in der Politik, in der Gesellschaft, in den Schulen, in den Berufsschulen, den Universitäten und in den Betrieben.

Für Diskriminierungen, egal aus welchen Gründen, ist da kein Platz.

Also: Recht auf Teilhabe an allen Prozessen, die sie betreffen – mit Ausnahme der Kandidatur und der Mandatsausübung als Arbeiterkammerrät:innen für Erwerbsarbeitslose.

Double standards

Die Mehrheitsfraktion (FSG) der AK(-Wien) tut im ureigenen AK-Bereich nicht nur nichts für den Ausbau „des besten Sozialstaats der Welt“, sondern will bereits bestehende, wenn auch schwache Mitbestimmungsmöglichkeiten für Erwerbsarbeitslose sogar weiter einschränken.

Ohne weitere Worte.

Aber mit Links zu anverwandten Beiträgen: